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Aus aktuellem Anlass der Hinweis auf den Standpunkt des Geschäftsführers unserer Detektei zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13) "Mitarbeiterüberwachungen durch Detektive", bei betriebs-berater.ruw.de sowie unseren Fachartikel bei www.compliance-manager.net mit dem Titel: "Nichts Neues aus Erfurt - Ohne Verdacht ist Überwachung von Mitarbeitern nicht erlaubt". Das BAG hatte vorliegend über die Rechtmäßigkeit einer Überwachung wegen des vermeintlichen Verdachts auf Lohnfortzahlungsbetrug zu entscheiden.
Im Weiteren eine Auswahl an wissenswerten Urteilen:
Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8.3.2023 – Az.: 8 Sa 859/22
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genießen einen hohen Beweiswert, der jedoch in der Praxis oft schwer zu erschüttern ist. Die neue elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt Arbeitgeber vor zusätzliche Herausforderungen. Daher sind Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und der Instanzgerichte von großer Bedeutung, da sie Fallgruppen aufzeigen können, in denen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Frage gestellt werden kann. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen traf kürzlich eine solche Entscheidung.
Zum streitgegenständlichen Sachverhalt
Der Rechtsstreit befasste sich mit einer Klage auf Erfüllung von Entgeltfortzahlungsansprüchen. Dem Kläger wurde einen Tag vor der arbeitgeberseitigen Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Während der Kündigungsfrist legte der Kläger zwei weitere aufeinanderfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die genau den Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist abdeckten. Am Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist trat der Kläger eine neue Arbeitsstelle an, scheinbar vollständig gesundet.
Die Beklagte argumentierte, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund der Übereinstimmung zwischen der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist erschüttert sei. Des Weiteren sei der Kläger am Tag nach der Kündigung gesundet und habe eine neue Arbeitsstelle angetreten.
Das Arbeitsgericht Hildesheim folgte der Argumentation der Beklagten nicht und gewährte dem Kläger den Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen bekräftigte nun die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hildesheim.
Aufgrund normativer Wertungen im Entgeltfortzahlungsgesetz komme der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine hohe Beweiskraft zu. Schon durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne das Gericht den Beweis als erbracht ansehen, dass der Arbeitnehmer während des bescheinigten Zeitraums arbeitsunfähig war.
Um den Beweiswert zu erschüttern, müsse der Arbeitgeber konkrete Umstände benennen und beweisen, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers aufkommen lassen.
Einfaches Bestreiten reiche nicht aus. Es dürfen jedoch keine überhöhten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers gestellt werden, da dieser in der Regel kein Wissen über die genauen Ursachen der Krankheit habe. Wenn der Arbeitgeber den Beweiswert erschüttert, liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, konkret darzulegen und zu beweisen, dass er arbeitsunfähig war.
Der Arbeitnehmer muss Informationen zur Erkrankung, Medikation oder Verhaltensmaßnahmen sowie zu den durch die Krankheit bedingten Einschränkungen vorbringen und diese nachweisen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen verweist zudem auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2021 (Az. 5 AZR 149/21), in der festgestellt wurde, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, wenn der Arbeitnehmer am Tag einer Eigenkündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, die genau die Kündigungsfrist abdeckt.
Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine völlig andere Situation. Obwohl eine unmittelbar nach Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Beweiswert erschüttern kann, ergibt sich aus dem chronologischen Ablauf, dass der Beweiswert nicht erschüttert ist. Der Kläger hatte sich vorliegend einen Tag vor Erhalt der Kündigung durch den Arbeitgeber als arbeitsunfähig gemeldet. Die Motivation, wegen der Kündigung sich krank zu melden, schied also aus.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist möglich.
Tipp für die Praxis
Den Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, ist anspruchsvoll.
Den medizinischen Dienst der Krankenkassen einzuschalten, wird zwar verschiedentlich gefordert, geht zumeist aber ins Leere.
Sollten Sie einen ähnlichen Fall im Unternehmen haben, rufen Sie uns an. Gerne erörtern wir am Telefon die investigativen Voraussetzungen und Möglichkeiten Ihres Einzelfalles.
Wie aktuell das Bundesarbeitsgericht am 19.02.2015 entschied (BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13), dürfen Beschäftigte nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorliege einer Straftat (hier: Lohnfortzahlungsbetrug gem. § 263 StGB) überwacht werden. Diese Entscheidung stellt keine Neuerung dar, sondern spiegelt lediglich die seit 2009 geltende Gesetzeslage wider.
Näheres zum Sachverhalt und zur Entscheidung finden Sie in unserem kurzen Fachbeitrag bei www.compliance-manager.net mit dem Titel: "Nichts Neues aus Erfurt - Ohne Verdacht ist Überwachung von Mitarbeitern nicht erlaubt".
Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 14.11.2012, Az.: 5 AZR 886/11) entschied, dass der Arbeitgeber auch ohne besondere Verdachtsmomente, einen sachlichen Grund oder eine entsprechende Begründung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arzt ab dem ersten Krankheitstag vom Arbeitnehmer verlangen kann. Das Verlangen des Arbeitgebers darf jedoch nicht schikanös oder willkürlich sein. Auch darf es nicht gegen Diskriminierungsverbote oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
Beim einem generellen und kollektiven Verlangen der Krankschreibung ab dem ersten Tag ist jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Nr. 1 BetrVG zu beachten.
Die ausführliche Entscheidung des BAG können Sie hier nachlesen.
Das Hessische LAG urteilte am 01.04.2009 (Az.: 6 Sa 1593/08), dass eine vorgetäuschte Krankheit zur fristlosen Kündigung führen kann. Im vorliegenden Fall bot ein vermeintlich kranker Arbeitnehmer einem auf ihn angesetzten Detektiv an, während seiner Krankheit für diesen gegen Bezahlung Wände einzureißen und Mauer- und Malerarbeiten zu erledigen. Das Gericht sah den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers als erschüttert an.
ABER VORSICHT: Dieses Urteil birgt immense Tücken. Das Provozieren eines Arbeitnehmers zu einem unrechtmäßigen Verhalten ist in sehr vielen Fällen rechtswidrig und führt zu einem Beweisverwertungsverbot zum Nachteil des Arbeitgebers. Fragen Sie uns, wie wir die Täter überführen.
Das Urteil des LAG können Sie u.a. hier einsehen.
Ein über 50 Jahre alter Arbeitnehmer (Schweißer) meldete sich beim Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist arbeitsunfähig, nachdem ihm betriebsbedingt gekündigt wurde.
Der Arbeitgeber traute der Arbeitsunfähigkeit nicht und ließ einen Detektiv den Wahrheitsgehalt der Krankmeldung überprüfen. Der Detektiv erkundigte sich sodann beim Arbeitnehmer nach diversen Tätigkeiten im Innenausbau, die vermeintlich zur Ausführung gelangen sollten, und der Arbeitnehmer bot an, diese Tätigkeiten im Rahmen von Schwarzarbeit auszuführen.
Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fristlos wegen vorgetäuschter Krankmeldung und durfte dies auch laut Urteil des LAG Hessen vom 01.04.2009, Az.: 6 Sa 1593/08.
Zu diesem Thema gibt es unzählige Entscheidungen der verschiedensten gerichtlichen Instanzen. Exemplarisch zu Gunsten des Arbeitgebers geurteilt hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 20.08.2008 (7 Sa 197/08) in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer die Krankheit nur fingierte. Der Arbeitnehmer veranlasste die Kosten für den Detektiveinsatz schuldhaft.
Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer (s)eine Krankheit ankündigte, nachdem ihm ein geforderter Urlaub vom Arbeitgeber nicht gewährt wurde. Der BGH entschied in seinem Urteil vom 12.03.2009 (Az.: 2 AZR 251/07), dass bereits die Ankündigung einer zukünftigen Krankheit eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
Ärzte schreiben einen Patienten nicht selten direkt für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig. Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.06.2013, Az.: 10 Sa 100/13) stellte nun fest, dass ein zunächst kranker Arbeitnehmer, der während der Arbeitsunfähigkeit wieder gesund wird, seine Arbeit nach Rücksprache mit dem Arzt wieder aufzunehmen hat.
Im konkreten Fall konnte der Masseur eines Kurbetriebes seine Arbeit nicht weiter ausführen. Der Arzt bescheinigte ihm Wasser in den Beinen, Atemschwierigkeiten sowie den Verdacht auf verengte Herzkranzgefäße. Er schrieb den Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 20.06.2012 bis zum 26.06.2012 arbeitsunfähig.
Da der Arbeitgeber einen Verdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug aufgrund entsprechender Hinweise hatte, wurde eine Detektei beauftragt, den Arbeitnehmer zu observieren.
Hierbei wurden verschiedene körperliche Arbeiten des Arbeitnehmers im Haus dessen Tochter festgestellt, die im krassen Widerspruch zur Krankschreibung standen.
Nachdem dem Arbeitnehmer fristlos gekündigt wurde, gab dieser im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses an, während des Krankschreibungszeitraumes wegen einer Medikamentenumstellung wieder gesundet zu sein.
Die Richter hatten hierfür wenig Verständnis: wer gesund ist und arbeiten kann, der kann auch beim Arbeitgeber seine Arbeit wieder aufnehmen.
Zu dem Urteil im Volltext gelangen Sie hier.
Das LAG Mainz entschied in seinem Urteil vom 12.02.2010 (Az.: 9 Sa 275/09), dass die gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist. Obwohl der Arbeitgeber feststellen musste, dass sein krank geschriebener Arbeitnehmer einer Nebentätigkeit während der Krankheitsphase nachging, bildete dieser Umstand alleine keinen Grund für eine fristlose Kündigung, da der Arbeitgeber den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit nicht näher bestimmen konnte und der Nachweis, der Arbeitnehmer habe die Krankheit nur vorgetäuscht, nicht vollständig erbracht wurde. Aus diesem Grund wäre eine Abmahnung des Arbeitnehmers ausreichend gewesen.
Hinweis: Dieses Urteil zum Lohnfortzahlungsbetrug finden Sie im Internet häufig verfälscht bzw. verfälschend wiedergegeben. Den exakten Urteilstext können Sie hier lesen.
Eine außerordentliche Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer, während er krankgeschrieben ist, einer anderweitigen Arbeit nachgeht. Die anderweitige Tätigkeit kann ein Hinweis darauf sein, dass der Arbeitnehmer die Krankheit nur vorgespiegelt hat. Ebenso kann in solchen Fällen eine pflichtwidrige Verzögerung der Heilung vorliegen.
Der Kläger in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Nachdem sich der Kläger ab Anfang März 2004 mehrfach für längere Zeiten arbeitsunfähig gemeldet hatte, stellte die Beklagte Nachforschungen u.a. durch Detektive an. Nach ihrer vom Kläger in wesentlichen Teilen bestrittenen Behauptung ergaben die Nachforschungen, dass der Kläger während einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit ein Café betrieb und dort Gäste bediente, den Geschirrspüler leerte und ähnliche Tätigkeiten verrichtete. Die Beklagte kündigte, nachdem sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 1. Juni 2004 unterrichtet hatte, am 2. und, nachdem der Betriebsrat am 4. Juni 2004 Stellung genommen hatte, erneut am 7. Juni 2004 fristlos, hilfsweise fristgerecht. Das Landesarbeitsgericht hielt beide Kündigungen für unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts, soweit es die Kündigung vom 7. Juni 2004 betraf, aufgehoben. Die Kündigung vom 2. Juni 2004 ist unwirksam, weil sie ausgesprochen wurde, bevor die gesetzliche Frist zur Stellungnahme des Betriebsrats abgelaufen war. Dagegen ist der Betriebsrat zur Kündigung vom 7. Juni ordnungsgemäß gehört worden. Die schriftliche Anhörung zu dieser Kündigung erfolgte zwar auf Grundlage desselben Schreibens wie die Anhörung zur vorausgegangenen Kündigung vom 2. Juni. Das war aber unschädlich, weil der Betriebsrat bei seiner Beschlussfassung am 4. Juni 2004 wusste, dass er zu einer noch auszusprechenden Kündigung angehört wurde und seine Rechte ungeschmälert wahrnehmen konnte. Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe können die Kündigung auch in der Sache rechtfertigen. Da insoweit aber keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen sind, musste der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. April 2008 - 2 AZR 965/06 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 9. August 2006 - 9 Sa 1251/05 - (Quelle: Pressemitteilung Nr. 28/08 des BAG).
Alle genannten Urteile zum Lohnfortzahlungsbetrug behandeln Einzelfallentscheidungen!
Besteht der konkrete Verdacht, dass ein Arbeitnehmer seine Krankheit nur vortäuscht (sog. Entgeltfortzahlungsbetrug), so darf der Arbeitgeber zu Beweiszwecken in einer beweiswichtigen Situation den Arbeitnehmer fotografieren.
Dies entschied -nicht überraschend- nun das LAG Mainz (Urteil vom 11.07.2013, Az.: 10 SaGa 3/13).
In dem zu Grunde liegenden Fall traf der Arbeitgeber an einer Waschanlage zufällig auf den krankgeschriebenen Arbeitnehmer, der gemeinsam mit dessen Vater ein Auto reinigte. Die offensichtliche Vitalität des Arbeitnehmers irritierte den Arbeitgeber, so dass dieser Lichtbilder vom Arbeitnehmer mit der Handykamera anfertigte, um hierdurch möglicherweise einen Entgeltfortzahlungsbetrug beweisen zu können.
Zwar sei ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild des Arbeitnehmers gegeben, jedoch habe der Arbeitgeber ebenfalls das Recht, mit in der Öffentlichkeit angefertigten Fotos gegebenenfalls den sehr hohen Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
Das Urteil des LAG Mainz im Volltext können Sie hier nachlesen.
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